Traurig
Dienstag, Mai 25th, 2010Den Text werd ich wohl nicht mehr machen können
Den Text werd ich wohl nicht mehr machen können
Tatort: Bahnhof Augsburg. Motiv: Hochbegabung (wir können nicht anders)
Wenn Sonnentage kärger werden
Dank dicker schwarzer Wolkenherden
Das Blendwerkblau vom Himmel treibt
Bis vom Sommer nicht mehr bleibt
Denn ein verlatschtes Flip-Flop-Pärchen
Und blass gebleichte Nackenhärchen
Die wie Weizenfelderwogen
Leicht in Windrichtung gebogen
An tiefsonnigen Frühherbsttagen
Lange schwarze Schatten schlagen
Westwindkinder Drachen steigen
Wiesen sich in Raureif kleiden
Honigschwaden Tee durchschweben
Wummert leis das Lebenbeben
Wahrnehmbar nur mit dem Herzen
Ziert das Zitterlicht der Kerzen
In Dunkelstunden manches Schweigen
Im Regengegenfensterreigen
Riecht man draussen diese Dreifalt
Kälte, Regen, ferner Laubwald
Pfützen sind dir Ozeane
Krähen deine Pelikane
Fernweh deine Urlaubsreise
Du auf deine Art und Weise
Wirst uns lang noch Freud bereiten
Du schönste aller Jahreszeiten
Drum lasst uns unser Glas erheben
Auf den Nebel und das Leben
Auf die Welt im Großen Ganzen
Dass wir stets im Regen tanzen
Nass ist nur wer sich nass nennt
Und keinen Weg zur Sonne kennt
Rede eines uralten Slammers im Jahre 2030, 20 Jahre nachdem Poetry Slams mit der Peitsche aus der Stadt getreiben wurden.
“..als” sagt der Opa mit schlothweißen Haaren
Ich jung und die Tage wie Kirschkuchen waren
Sehnsucht und Kusslust die Augen verklebten
Wir frei wie der Wille im Grundgesetz lebten
Ritzten wir Märchen, Parolen und Lieder
Mit Fingern in Autos, vergaßen sie wieder
Dann schrieben wir Neues und immer das Beste
Auf Blätter und Ampeln auf Rehe und Äste
Wir kannten die Wörter und wollten sie reiten
Schreiben bedeutet die Flügel ausbreiten
Gedanken die Freiheit und Lufthoheit geben
Das waren keine Texte sie wuchsen und lebten
Im Rücken die Heimat und vor uns die Aussicht
Ein Vulkan ist das Leben nur dann wenn man ausbricht
“Doch heut” spricht der Weisse mit zittrigen Händen
Hängen nur Schilder an mausgrauen Wänden
Auf denen mit Druckschrift geschrieben steht
Dass man jetzt grad von dir dort ein Video dreht
Du wirst dich im Fernseher wiederkennen
Viel nicht verstehen und die Hälfte verpennen
Gelangweiltes Glotzen bei dem so viel geschieht
Wie beim Regenspaziergang im Neubaugebiet
Du hast die Freiheit (im Sinne der Regeln)
Dich zwischen den Grenzen bei null einzupegeln
“Ich” sagte er “rate dir werde wilder”
Geniesse die Mädchen und schreib ihnen Bilder
In knallroten Lettern und hausgroß ihr Name
Die Welt ist zu klein für Poesie und Reklame
Lasst uns als Dichter durch Steinwüsten laufen
Die Farben dazu gibt’s im Baumarkt zu kaufen
Ihr habt die Mauern und wir einen Traum
We gonna buy this place an burn it down
Ich studiere Orientierungswissenschaften aber ich weiß nicht mehr wo.
Selbst wenn ich das Instrument, das über uns schwebt, virtuos spielen könnte, wenn es fiele lägen wir darunter und könnten uns nicht mehr bewegen. Dann hätten wir mal so richtig Zeit über alles zu reden. Solange bis uns einer findet oder das Holz des Klaviers morsch wird oder die Würmer es fressen. Schön haben wir es da, unter dem Klavier, wie eine warme, schwere Decke. Wir quasseln die ganze Nacht. Nur am nächsten Morgen, da wird es uns zu bunt. Dann rufen wir auch mal um Hilfe. Bis wir merken, dass es nirgendwo schöner ist, als unter einem Instrument. Dass gerade auf uns beide das einzige Instrument fällt, unter dem zwei Menschen bequem Platz haben, muss man einfach als Glück bezeichnen.
Ist es nicht paradox, dass gerade in der Gynäkologie in Zukunft mehr
Abstriche gemacht werden sollen, während es in der Dermatologie weiterhin
offene Stellen gibt?
Mäh wollen
Ein Schaf (wie man’s vom Zählen kennt)
Wollte die Welt erkunden
Wie Schäfchen (die man Wolken nennt)
Ganz zaunlos den Planet umrunden
Es setzt an zum Sprung (der eher misslung)
Das Schaf bleibt ein Nutzvieh
Es spielt diese Rolle
Is doch egal wie
Was zählt ist
die Wolle
Wenn man mit einer Gruppe schutzbefohlener Kinder im Alter von 11 bis 15
Jahren im Rahmen einer Schreibwerkstatt in die Schweinfurter Innenstadt geht
um sich dort von Trubel und Buhei zu kleinen Geschichten inspirieren zu
lassen, mit offenen Augen durch die Gegend läuft, schließlich vor zwei
straßenmittig an einem Kanten Brot pickenden Tauben verweilt, sich verträumt
für die beiden Gesellen eine Biographie ausdenkt, eine mit ewiger Liebe
und langen Flügen mit den gemeinsamen Kindern über blühende Landschaften,
dann ist man doch ganz ausserordentlich überrascht, wenn dann ein Taxi eine
der beiden Tauben mit einem lauten Knacken überfährt, öffnet und auf der
Straße verteilt, aber grade noch soviel Taube heile lässt, dass diese
versucht vom eigenen Schlachtfeld zu entflattern während die andere Taube
sich am unverhofft offenliegenden Mageninhalt des Partners labt.
Fazit: Ein einzelner Mann kann nur zwei jungen Menschen die Augen zuhalten. Der Rest
lacht sich kaputt.
Weil ich herausfinden wollte, ob ich heute noch so viel Freude an Karnevals-Umzügen habe wie in meiner Kindheit, stellte ich mich an den Strassenrand einer unlängst vollzogenen Parade. Ein Bonbon fiel vor meine Füße. Sofort stürzten sich Kinder darauf doch ich konnte mich behaupten und betrachtete nachdenklich die Süßigkeit in meinen Händen. War der Geschmack der Beute so süß und befriedigend wie früher? Ich packte das Bonbon aus und nahm es in dem Mund. Kein schönes Gefühl. Die Oberfläche war rau und der Geschmack chemisch. Kein vergleich zu meinen früheren Empfindungen. Ich wickelte den nassen Kloben wieder in das Papier und legte ihn gut sichtbar vor mich auf den Boden. Ein Kind hob es auf und lief damit davon. Es wird damit sicherlich mehr Spass haben als ich.